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BGH: Anforderungen an Plausibilitätsprüfung eines Prospekts durch Anlageberater

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RA Dr. Thorsten Voß, Partner, Mayer Brown LLP, Frankfurt/M.

Der BGH hat mit Urteil vom 15. 11. 2012 – III ZR 55/12, DB 2012 S. 2862 entschieden, dass die aus einem Anlageberatungsvertrag folgende Pflicht zur objektgerechten Beratung sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts bezieht, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können.

Deshalb sei ein Anlageberater verpflichtet, ein Kapitalanlageprodukt, das er empfehlen möchte, mit üblichem kritischem Sachverstand zu prüfen. Je nach Ausgang der Prüfung sei der Anleger auch auf ein diesbezügliches Unterlassen hinzuweisen. Jedoch könne eine unterlassene Prüfung nur dann zu einer Haftung führen, wenn bei dieser ein Risiko erkennbar war, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder aber wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Anlage nicht anleger- und/oder objektgerecht ist.

Dies zugrunde legend wurde im vorliegenden Fall eine Haftung des Anlageberaters verneint. Verklagt war dieser von einem Anleger auf Schadensersatz vor dem Hintergrund eines Investments in einen geschlossenen Immobilienfonds. Laut Prospekt waren Gegenstand des Immobilienfonds „Erwerb und Vermietung“ einer zum Zeitpunkt des öffentlichen Angebots im Bau befindlichen „Vorsorge- und Rehabilitationsklinik“. Für zwei Jahre konnte der Fonds Ausschüttungen leisten, danach geriet die Fondsgesellschaft aufgrund von verringerten Pachtzahlungen der Klinikbetreiberin in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

In der Sache ging es in diesem Haftungsprozess um den Umgang mit den Prospektangaben zu den Termini „Avale Bauzeit“ und „Finanzierungskosten“ durch den Anlageberater.

So war im Prospekt im „Investitions- und Finanzierungsplan“ unter der Überschrift “Investitionsplanung“ die Position „Avale Bauzeit“ aufgeführt. Der BGH ging davon aus, dass bereits die Verwendung dieses Begriffs nicht dem Anlageberater Anlass zur Nachfrage hätte geben müssen, was es mit dem diesem Begriff zugeordneten Betrag auf sich habe. Ebenso wenig habe der Anlageberater den Kläger darauf hinweisen müssen, dass der Begriff Aval üblicherweise für die Sicherheit einer Bank stehe, indessen eine konkrete Bank im Prospekt nicht genannt wurde. Demgegenüber hätte Anlass für kritische Nachfragen allenfalls dann bestanden, wenn der Anfall einer Avalprovision nicht plausibel gewesen wäre, wenn es insoweit hierfür im Rahmen des prospektierten Investitionsvorhabens keinen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte oder wenn bezüglich eines solchen Grunds sich die Avalprovisionshöhe offensichtlich außerhalb des vertretbaren Rahmens bewegt hätte.

Weiter überzeugte den BGH der Vortrag der Revision nicht, dass es sich bei den in Rede stehenden Finanzierungskosten nicht um Zinsverbindlichkeiten handeln könne, die auf die Fremdfinanzierung entfielen,  weil diese keine Kosten der Investitionsphase, sondern laufende Kosten der Fondsgesellschaft seien. Denn im Prospektnachtrag sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Zinsen, die für die Endfinanzierung des Anlageobjekts anfallen, im Investitionsplan bei den Finanzierungskosten kalkuliert worden seien.

Die zentrale Aussage des Urteils liegt darin, dass der BGH dem beklagten Anlageberater keine Pflicht auferlegt hat, Einblicke in Vertragsdokumente der Fondsgesellschaft zu nehmen oder andere weitergehende Ermittlungen anzustellen. Hier wird an einer vernünftigen Stelle ein Grenzpflock eingeschlagen. Dass ein Berater nach ständiger Rechtsprechung „eine Prüfung mit üblichem kritischen Sachverstand“ hinsichtlich des von ihm empfohlenen Produkts vornehmen muss, ist nicht zu beanstanden. Doch kommt ihm sicher nicht die Aufgabe einer erneuten „Wirtschaftsprüfung“ zu – dafür gibt es IDW S4-Gutachten. Und schließlich ist in Erinnerung zu rufen, dass nach neuester Rechtsprechung der Prospekt selbst so abgefasst sein muss, dass auch ein mit der Finanzwelt nicht vertrauter Anleger das Produkt versteht (BGH-Urteil vom 18. 9. 2012 – XI ZR 344/11, DB 2012 S. 2622, Gastbeitrag vom 28. 11. 2012). Sollte das nicht der Fall sein, sind Haftungsadressaten der Prospektersteller bzw. dessen Hintermänner, mithin die Prospektverantwortlichen. Dort sind die Haftungsschuldner nach dem Verursacherprinzip aber auch zutreffend angesiedelt – der einzelne Anlageberater ist nicht für jeden auszumachenden Prospektfehler verantwortlich.


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